Wer atmet, der betet

Eine Frau war in eine Glaubenskrise geraten und konnte nicht mehr beten: „Was hilft das Beten? Es sind doch nur Worte? Gott, wenn es ein Gott überhaupt gibt, hört nicht auf den Menschen, der sich einbildet, er könne mit einem Gebet sein Schicksal beeinflussen!“

 

Die Frau besuchte eine Nonne, die ihr Leben dem Gebet widmete und im Ruf stand, sehr weise zu sein und erzählte ihr von ihrer Not. Die Nonne antwortete nur mit einem Satz: „Wer atmet, der betet!“

 

Auch ein zweites Mal, als die Frau ihre Bedenken vorbrachte und andeute, mit diesem Satz nicht viel anfangen zu können, wiederholte diese: „Wer atmet, der betet!“

 

Erst als die Frau ein drittes Mal zu der Nonne ging und sie inständig bat, ihr diesen Satz zu erklären, da sie nach mehreren schlaflosen Nächten zu ahnen beginne, dass dieser einfache Satz ein Schlüssel sein könnte für ihre Fragen, erklärte ihr die Nonne:

 

„Du meinst, nicht beten zu können, dabei betest du ständig. Dein Atem ist dein Gebet, er wird dir von Gott eingehaucht, jedes Mal neu, bei jedem Atemzug ist es Gott, der dich anhaucht. Es atmet in dir, du kannst den Atem nicht machen, deshalb ist er das tiefste und grösste Gebet: Dein Atemgebet!“

 

 

 

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Du glaubst nicht an Engel, nur weil du keine Flügel hast?

Eine Frau sagt in einem Gespräch:

„Ich glaube nicht, dass es Engel wirklich gibt. Zum Dekorieren sind sie nett, auf einer Karte für Glückwünsche. Aber dass Wesen existieren mit Flügeln aus einer anderen Welt? Nein!“

Ein älterer Kollege widerspricht ihr:

„Ich glaube, dass es Engel gibt, genau so wie es dich und mich gibt. Um dir dies zu zeigen, darf ich mit dir ein Experiment machen?“

Die Frau nickt und lässt sich neugierig darauf ein.

„Schliesse die Augen. Denke an einen Ort, wo Du Dich wohl fühlst und gehe in deinem Geist dorthin.“

„Ich bin jetzt am Meer!“ „Was siehst du, was hörst du?“ „Ich höre die Wellen rauschen. Jetzt gehe ich über den Sandstrand, ich spüre den kühlen Sand zwischen meinen Zehen, der Wind weht und dort steigen Möwen auf!“

„Bist du wirklich am Meer!“

„Ja, es kommt mir so vor, jetzt sehe ich in der Ferne ein Schiff. Ich bin mehr am Meer, als ich hier bei dir bin!“

Als die Frau ihre Augen wieder öffnet, lächelt der ältere Kollege: „Du warst in deinem Geist am Meer! So muss dein Geist Flügel haben, wenn er so schnell von hier ans Meer gelangen kann. Dein Geist ist ein wunderbares Wesen in dir, welcher dich mit seinen Flügeln von hier an andere Orte trägt. Warum sollte es nicht Engel geben und vielleicht verbirgt sich ja auch ein Engel in dir?“

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Die Zeit vergeht nicht

Ein Mensch hatte einen sehr tiefen Gedanken und vertraute ihn seinen Bekannten an:

 „Die Zeit vergeht nicht, nur der Mensch vergeht.“

 Einer lachte laut auf: „Das wäre schön, wenn die Zeit nicht verginge, dann wäre ich noch jung!“

 „Jetzt mal ernsthaft,“ sagte jemand anders, „wenn die Zeit nicht vergeht, dann ist sie nicht mehr die Zeit, denn sie definiert sich ja dadurch, dass sie vergeht!“

 

„Hört mal zu,“ sagte der Mensch mit dem tiefen Gedanken: „Hat es die Zeit jemals, seitdem die Erde besteht, nicht gegeben, und wird es sie einmal nicht geben? Also, die Zeit bleibt, sie vergeht nicht, ach, und würde sie vergehen, stell dir ein Leben ohne Zeit vor! Aber dich, mein Lieber, wird es bald nicht mehr geben. Du wirst fort sein, ganz und gar vergangen, nicht mehr da. Und auch das Menschengeschlecht wird es einmal nicht mehr geben, während die Zeit immer noch unbekümmert weitergeht?“

 „Was willst du uns damit eigentlich sagen?“ fragte einer der Bekannten und der Mensch mit dem tiefen Gedanken holte aus, ein letztes Mal:

 „Wenn die Zeit nicht vergeht, ist sie etwas Ewiges. Also: Jede Stunde hat in sich einen ewigen Kern, der bleibt. Auch jetzt, gerade dieser Moment, spür ihn, hat etwas an sich, das ewig ist. Das ist doch wunderbar.“

Der Zauberer Honigberg, ein modernes Märchen

Es war einmal ein Zauberer mit dem Namen Honigberg, er schmierte den Leuten Honig ums Maul, hatte aber keine lauteren Absichten, denn er wollte das ganze Land beherrschen. Er erfand ein Kästchen, welches ein Fenster hatte, in welchem man das ganze Wissen des Landes sehen konnte. Was man auch immer wissen wollte, das Kästchen hatte immer eine Antwort. Der Zauberer verteilte das Kästchen umsonst an alle Menschen im Land. Diese waren entzückt, und bald schauten sie mehr in das Kästchen als in die Welt. Darauf hatte der Zauberer nur gewartet, denn nun waren die Menschen von ihm abhängig. Eines Tages zeigte er in dem Kästchen an, dass der Himmel rot und die Erde schwarz ist. Darüber erschraken alle, weil sie dem Kästchen mehr glaubten als ihren eigenen Augen und sie wurden sehr unglücklich, sie klagten, dass die Welt in Unordnung geraten sei. Bis eines Tages ein Kind fröhlich rief: „Schau den blauen Himmel.“ Tatsächlich, der Himmel war ja blau und nicht nicht rot. Alle Menschen wurden wütend auf den Zauberer, sie warfen die Kästchen in den Fluss oder ins Meer, sie jagten den Zauberer aus dem Land und lebten von da an unbeschwert und glücklich.

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Das Unser Vater - ich werde es googeln

Bei meinem letzten Besuch im Pflegeheim wurde ich von zwei jungen Pflegerinnen zu einer Patientin gerufen, die im Sterben liege, sie habe grosse Angst und sei verzweifelt. Ich setzte mich zu der Frau und betete mit ihr das Unser Vater, sie schloss die Augen und wurde ruhig. Die Pflegerinnen fragten mich, was für einen Rat geben sie uns? Ich sagte ihnen: Beten sie doch hie und da das Unser Vater mit ihr. Die eine junge Frau schaute mich fragend an: Das Unser Vater? Ich werde es mal googeln! Sie ging weg und kam kurze Zeit später mit einem Blatt Papier zurück, auf dem sie das Unser Vater ausgedruckt hatte, sie reichte es ihrer Kollegin: „Das kannst du machen:“ Diese schüttelte heftig den Kopf: „Nein, ich bin doch Tibeterin.“ Widerwillig nahm die junge Frau das Blatt in die Hand: „Muss ich das jetzt auswendig lernen!“ Ja, vielleicht, wäre doch nicht schlecht,“ sagte ich schmunzelnd und verabschiedete mich.